Interview mit Dr. Sibyll Klotz

„Der Standort ist wenig geeignet“

Interview mit der Stadträtin Dr. Sibyll Klotz (Bündnis 90/Die Grünen) über die Zukunft der ehemaligen Senioreneinrichtung:
Lichtenrader Magazin: Um die Zukunft des Georg-Kriedte-Hauses gibt es immer wieder Gerüchte. Was wissen Sie darüber? Sibyll Klotz: Das Bezirksamt hat das Georg-Kriedte-Haus ohne Wünsche für die weitere Nutzung an den Liegenschaftsfonds abgegeben. Dort gibt es meines Wissens drei Interessenten, die an diesem Standort eine Unterkunft für Flüchtlinge  inrichten wollen.
Was halten Sie von der Idee, dort ein Studentenwohnheim einzurichten? Das ist unrealistisch. Erstens kann man nicht mitten im Verfahren mit dem Liegenschaftsfonds neue Bedingungen anmelden. Und zweitens ist der Standort überhaupt nicht geeignet. Senat und Studentenwerk sehen einen Bedarf an studentischem Wohnraum von ca. 500-600  Wohnplätzen im innerstädtischen Bereich. Wohnheimplätze außerdem des S-Bahn-Rings werden nicht nachgefragt, außer sie sind in der Nähe der Freien Universität. Studenten wollen eben zentral oder in der Nähe ihrer Hochschule wohnen! Und was hält das Bezirksamt von der Idee, dort Flüchtlinge und Asylbewerber unterzubringen? Wir halten diesen Standort für wenig geeignet – aus Sicht der Flüchtlinge! Neben der verkehrlich schlechten Anbindung und der mangelnden Infrastruktur fehlt es dort vor allem an Möglichkeiten für Kita- und Schulkinder. Deshalb haben wir uns mit dem Landesamt darauf verständigt, dieses Haus nach Möglichkeit nicht zur Unterbringung für Asylbewerber und Flüchtlinge zu nutzen. Übel finde ich allerdings, wie die Bezirks-CDU gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Lichtenrade Stimmung macht. Deshalb ist es mir wichtig zu sagen: Flüchtlinge sind in Tempelhof-Schöneberg willkommen, und ich bin mir ganz sicher, dass die übergroße Mehrheit der Lichtenraderinnen und Lichtenrader das genau so sieht! Wer entscheidet eigentlich darüber, wo Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet werden? Das entscheidet das Landesamt für Gesundheit und Soziales, für das der Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja (CDU) verantwortlich ist. Er ist händeringend auf der Suche nach Plätzen, weil Berlin auf die Zahl der Flüchtlinge nicht vorbereitet ist, wobei 6.000 Flüchtlinge erstens keine Flüchtlingswelle sind, wie manche suggerieren, und zweitens in einer 3,5 Millionen Stadt ja wohl unterzubringen sind. Dazu müssten dann allerdings auch die Bezirke einen Beitrag leisten, die sich bisher der Verantwortung entziehen. Das haben wir schon beim letzten Senat angemahnt und der jetzige Senat hat dafür ein Konzept vorgelegt, das nun aber auch durchgesetzt werden muss. Wie sieht denn dieses Konzept des Senats aus? Es verteilt, orientiert an der Einwohnerzahl, einmal 6.000 und einmal 12.000 Plätze auf alle Berliner Bezirke. 12.000 um Höchstgrenzen für jeden einzelnen Bezirk festzulegen, denn es ist ja nicht so einfach, geeignete Gebäude zu finden, die sich dann auch idealtypisch auf die 12 Bezirke verteilen. Und was bedeutet das für Tempelhof-Schöneberg? Dass wir mittelfristig mit unseren belegten knapp 800 Plätzen in der Marienfelder Allee und im Trachenbergring unseren Anteil bereits erbringen. Die Marienfelder Allee ist bis Ende 2014 vom Bund angemietet, und ich bin froh, dass wir mit dem Internationalen Bund hier einen Betreiber haben, der dort eine gute Arbeit leistet. Das Senatskonzept bedeutet aber auch, dass es kurzfristig durchaus zu weiteren Plätzen kommen kann.
Und wie bewerten Sie das? Wir haben das Recht auf Asyl im Grundgesetz festgeschrieben und ich halte das für ein hohes politisches Gut. Zumal dieses Asylrecht ja so verschärft wurde, dass die Zahlen in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen sind. Und wir haben immer mehr wohnungslose Menschen, für die ebenfalls Unterkünfte fehlen. Dieser Verantwortung müssen sich Senat und Bezirke gemeinsam stellen. Dazu gehört auch, nach für alle Beteiligten vernünftigen Rahmenbedingungen zu suchen, und darauf versuchen wir als Bezirk auch Einfluss zu nehmen. Da würden wir uns durchaus mehr Unterstützung vom Senat wünschen, z. B. was die Schulund Kitaplätze betrifft. Für inakzeptabel halte ich das Sankt-Florians-Prinzip.

Das Interview führte Thomas Moser-BerLi-Press.
Kleine Anmerkung: aut Wikipedia:
„Das Sankt-Florian-Prinzip oder die Sankt-Florian-Politik bezeichnet Verhaltensweisen, potenzielle Bedrohungen oder Gefahrenlagen nicht zu lösen, sondern auf andere zu verschieben.“

Thomas Moser

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