Haus am Kirchhainer Damm 3 hat eine interessante Vergangenheit

Vaterländer: Ziegelbrennen mit echtem Lichtenrader Lehm

Wilhelm Jänicke, der das Handwerk des Ziegelbrennens von seinem Vater erlernte, siedelte sich in den achtziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts in Lichtenrade an. Hier betrieb er bis 1896 eine Ziegelbrennerei.

Nun stand in Lichtenrade nicht etwa ein Ringofen wie beispielsweise in den Nachbarorten Mahlow oder Teltow. Bei uns im Ort wurden die Ziegel in Handarbeit und im kleinen Maßstab gefertigt. Dies geschah in der Regel auf dem Grundstück, auf dem ein Haus gebaut werden sollte.

Zur Ziegelherstellung verwendete man den dunkelbraunen, schweren und zähen Lehm, der größtenteils in geringer Tiefe auf der Baustätte oder auf dem nahegelegenen Akker zu finden war. Dieser Lehm, der sich besonders gut zum Brennen eignete, gab den Ziegeln nach dem Brandvorgang eine rote Farbe.

Aus einem Bericht, den der Polier Karl Gustav Wilhelm Jänicke, Sohn des Ziegelbauers Wilhelm Jänicke 1953 verfasste, geht hervor wie die Ziegelherstellung vonstattenging.

Als für seinen Onkel 1888 ein Haus am heutigen Kirchhainer Damm 3 (bis 1911 Glasower Straße/ von 1911 bis 1949 Kaiser-Wilhelm-Straße) gebaut werden sollte, half er seinem Vater bei der Herstellung der zum Bau des Hauses benötigten Ziegel.

Zuvor aber musste ein Bauunternehmer gefunden werden, der mit dem Bauvorhaben beauftragt wurde. Dies übernahm der Unternehmer Jenisch, der viele Bauernhäuser im Umkreis errichtet hatte. Das Vorhaben wurde vom Gemeindevorsteher in Lichtenrade, vom Amtsvorsteher in Buckow und i.V. des Landrats vom Bauinspektor in Berlin genehmigt. Als Auge des Gesetzes übernahmen Gendarmen die örtliche Bauaufsicht.

Jetzt ging es an die Ziegelherstellung. Der Lehm, der zum Brennen der Ziegel benötigt wurde, kam direkt vom Grundstück aus 1 bis 2 m Tiefe und war in ausreichender Menge vorhanden. Der auf einen Haufen geworfene Lehmboden wurde mit Wasser übergossen und mittels flacher, angefeuchteter Holzschaufeln dann mehrfach durchgearbeitet. Anschließend strich man den Lehm, auf einen großen Streichtisch, in Doppelformen. Im Anschluss stellte man die geformten Ziegel hochkant immer zu viert hintereinander und legte die nächste Schicht schräg gedreht darüber. Der so zum Trocknen der Ziegel aufgestellte Stapel erreichte eine Höhe von 1,20 Meter und eine Länge von 20 bis 30 Meter. Dieser Vorgang vollzog sich im Sommer. Auftretende Sommergewitter konnten allerdings eine ganze Ladung Ziegel vernichten. Auch Maulwürfe trieben ihr Unwesen in den zum Trocknen aufgestellten Ziegeln. Bei großer Feuchtigkeit sammelten sich unter den Stapel Regenwürmer, die sie mit Vorliebe fraßen und dabei Ziegel beschädigten.

Im Herbst wurde für das Brennen der luftgetrockneten Ziegel eine Grube von 8 mal 10 m Größe mit einer Tiefe von 3 m angelegt. Mittig kamen die zu brennenden Ziegel hinein. Die Seiten wurden mit hochkant gestellten Ziegeln und schräg angeschütteten Sand abgeschlossen. Oberhalb der Grube ragte der Stapel etwa 1 m heraus und blieb unverschlossen.

Jetzt begann die wichtigste Arbeit des Ziegelbrenners Wilhelm Jänicke. Präzise unter der Vorderseite des Stapels mussten sechs Feuerungslöcher nebeneinander mit eben so vielen dahinterliegenden, vier Meter langen Feuerräumen ausgespart werden. Das Holz dafür kam mit der Eisenbahn aus den südlich gelegenen Waldgebieten
wie beispielsweise aus Sperenberg, zum Güterbahnhof Mahlow und wurde dort auf bereitstehende Bauernfuhrwerke umgeladen.

Das richtige Heizen erforderte besondere Geschicklichkeit. Die ein Meter langen Holzblöcke mussten so in die Feuerungsräume geworfen werden, dass zwei Blöcke hintereinander und je drei übereinander zu liegen kamen, ohne dass der Ziegelstapel dabei berührt wurde. Anschließend wurde der Ziegelbrand mit trockenem Holz entzündet. Heizte man mit Kiefernholz, welches stark mit Harz durchtränkt war, bildete sich anfangs starker Qualm. Diese starke Rauchentwicklung veranlasste oftmals die freiwillige Feuerwehr des Nachbarortes mit ihrer Feuerspritze zu erscheinen, um einen eventuellen Brand zu löschen.

Der Brandvorgang der noch unfertigen Lehmziegel dauerte je nach Witterungsverhältnissen sechs bis acht Wochen und musste Tag und Nacht bewacht werden. Um ausreichend Steine zum Bauen eines Hauses zur Verfügung zu haben, musste dieser Vorgang viermal wiederholt werden.

Von der Entnahme des Lehms aus dem Boden bis zur Fertigstellung der zum Hausbau benötigten Ziegel waren fünf Männer ein ganzes Jahr lang beschäftigt. Die rot leuchtenden heimischen selbst gebrannten Backsteine bezeichneten die Leute als „Vaterländer“

Marina Heimann

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