Hof, Wohnhaus, Irrenanstalt und Neubau mit Kindergarten

Pracht-Haus mit wechselvoller Geschichte: das „Schloß“

An der heutigen Straße Alt-Lichtenrade 100, genau gegenüber der alten Feuerwache, wurde 1797 ein Wohnhaus im klassischen Stil errichtet, das die Dorfbewohner wegen der prachtvoll gestalteten Außenfassade bald „Schloss“ nannten. Hinter dem Haus gab auch einen kleinen Park mit Teich.

Doch bevor das „Schloss“ erbaut wurde, befand sich dort ein anderes für unseren Ort wichtiges Gebäude. An der Dorfstraße 6 (heute Alt-Lichtenrade 100) bewohnte die Familie Sieke den Lehnschulzenhof. Als letzter Lehnschulze (Dorfobrigkeit) war Johann Christian Sieke bis 1766 im Amt, bevor er wegen Verschuldung den Hof verkaufen musste. In den folgenden Jahren wechselten die Besitzer, bis im Jahre 1794 der Kaufmann Borsche den Hof erwarb und auf ihm drei Jahre später ein neues prachtvolles Wohnhaus im klassischen Stil samt kleinem Park errichten ließ.

Das Anwesen war für die damaligen Lichtenrader Wohnverhältnisse so pompös und außergewöhnlich, dass die Bürger des Ortes es bald als „Schloss von Lichtenrade“ bezeichneten. Aber schon 1804 verkaufte er es an den königlichen Hof- und Leibschneider Daniel Kielpflug, der es bis zu seinem Tode bewohnte. Seine Frau lebte noch weitere 10 Jahre im Haus bevor es 1828 durch Zwangsversteigerung in die Hände des Landwehr-Leutnants Wilhelm Bohnstedt kam. Dieser wollte hoch hinaus und auf dem Grundstück ein Rittergut errichten.

Da die Morgenanzahl des Grundstückes für ein solches Vorhaben nicht ausreichte und er deshalb keine Genehmigung zum Bau bekam, verkaufte er es 1856 an Wilhelm-Albert Bornhagen, der immerhin 30 Jahre stolzer Besitzer dieser Anlage war, sie aber dann aus Altersgründen veräußerte. Es folgten die Besitzer Gumpert, Cronheim und 1888 konnte der Schankwirt Julius Stueck das Haus sein eigen nennen.

1890 erwarb das Anwesen der Magistratsbeamte Carl Glogauer, der das Dachgeschoss ausbauen ließ und in dem Haus eine Irrenanstalt einrichtete. 1904 lautet die Bezeichnung des Hauses „Irrenanstalt – Schloss Lichtenrade“. Im Jahre 1905 verpachtete Herr Glogauer einen Teil des Gebäudes an eine Martha Collin, die als Leiterin einer Anstalt für unheilbar weibliche Geisteskranke in Erscheinung trat. So befanden sich zu diesem Zeitpunkt zwei Heilanstalten im Gebäude. Carl Glogauer und Martha Collin heirateten, bevor Carl Glogauer im Jahr 1906 verstarb. 16 Jahre später verkaufte seine Witwe während der Inflation das Anwesen an einen Kaufmann aus Manchester für 800 000 Mark. Ende 1943 werden das Wirtschaftsgebäude und die Ställe durch Bomben zerstört. Das Wohnhaus blieb so gut wie unversehrt.  Nach Kriegsende wurde durch Plünderungen und witterungsbedingte Umstände das Haus so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass es bald nur noch eine Ruine war. 1950 stürzten die letzten noch stehenden Mauern in sich zusammen. 1958 wurde das Grundstück entrümpelt und die letzten Reste des „Schlosses“ abgetragen.

Heute befindet sich an gleicher Stelle ein Wohnhaus, in dem im unteren Teil Räume der Kindertagesstätte der alten Feuerwache untergebracht sind.

Marina Heimann

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