1936 konnten die Fahrer sitzend die „99“ steuern

Die erste Straßenbahn fuhr 1928 bis nach Lichtenrade

Die Straßenbahnlinie „99“, die seit 1910 im Raum Tempelhof im Einsatz war, galt als eine typische Tempelhofer Linie. Dies änderte sich, als sie 1928 bis nach Lichtenrade verlängert wurde. Nun sprach man nur noch von der Lichtenrader Linie, die als Einzige kontinuierlich, auch in den Nachkriegsjahren, ihren Betrieb zwischen Lichtenrade und Tempelhof aufrechterhielt.

Lange mussten die Lichtenrader auf ihre Straßenbahn warten. Der Grund dafür war die schlechte Beschaffenheit der alten Dorfstraße. Die damals viel zu schmale Straße mit ihrem schlechten Untergrund war ungeeignet für den Einbau von Schienen. Eine andere Lösung musste her, damit endlich der lang ersehnte Wunsch einer Straßenbahnlinie nach Lichtenrade in Erfüllung ging. So wurde 1928 eine Umgehungsstraße mit einer Fahrbahn (heutige Fahrbahn Lichtenrader  Damm stadtauswärts) um den alten Dorfkern in Lichtenrade ab Goethe-/Potsdamerstraße gebaut. Der Ausbau der 6,3 km langen Strecke von der Endschleife an der Bahnhofstraße in Lichtenrade (vor der Salvator Kirche, heute Endhaltestelle der Autobuslinie M 76) bis zur ehemaligen Endhaltestelle der „99“ an der Trabrennbahn, stand somit nichts mehr im Wege. Unter großer Begeisterung fuhr am 17. Oktober 1928 die erste Straßenbahn, behangen mit Girlanden, von Tempelhof nach Lichtenrade.

Die Linie „99“ bestand meist aus einem Triebwagen mit zwei Anhängern. In den Anfangsjahren mussten die Fahrer der Straßenbahnen die ganze Fahrt über stehen. Die Weichen wurden mithilfe langer Eisenstangen, die außen am Wagen hingen, von Hand gestellt.

Die Fahrscheine lochte der Schaffner per Lochzange. Kein leichtes Unterfangen bei der meist holprigen Fahrt. Erst nach 1936 gab es Erleichterung für das Fahrpersonal. So bekam der Fahrer einen Sitzplatz und der Schaffner erhielt anstelle der Lochzange einen Stempel.

Die Verständigung des Schaffners mit dem Fahrer erfolgte über Klingelzeichen mittels oben an der Decke angebrachten Lederriemen. Zog der Schaffner daran, ertönte beim Fahrer eine Klingel, was das Signal zum Losfahren bedeutete.

Die Straßenbahn „99“ fuhr von Lichtenrade bis zur Endhaltestelle am Mehringplatz (ab 1954 bis Linden-/Jerusalemerstraße Jerusalem Kirche, heute Teil des Springer Verlagshauses) in Kreuzberg in Viertelstundentakt und dauerte etwa 43 Minuten. Sie bediente 9 Stationen.

Stieg man in Lichtenrade ein, ging es durch die Bahnhofstraße. Von dort bog sie in einer Linkskurve auf den heutigen Lichtenrader Damm und fuhr dann bis zum Mehringplatz immer geradeaus. Die Bebauung entlang des Mariendorfer Damms war eher ländlich geprägt. Einzelne Häuser mit Gärten dazwischen immer wieder freiliegende Felder. An der Rennbahn, die 1913 als Pferdeportanlage gegründet wurde, hielt die Straßenbahn, bevor sie Alt-Mariendorf erreichte.

Den U-Bahnhof Alt-Mariendorf gab es damals noch nicht. Der Bau der U-Bahn von Tempelhof nach Alt-Mariendorf begann 1961 und die Bahnhöfe wurden erst 1966 eröffnet.

Danach wurde die Bebauung dichter. Von Weitem sah man schon das 1927 in Stahlbetonskelettbauweise fertiggestellte Ullsteinhaus mit seinem 77 m hohen Turm. Die nächste Station der Straßenbahn war an der Kaiserin-Augusta-Straße.

(wird fortgetzt)

Marina Heimann

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