Der Dichter hatte auch eine malerische Ader

Ringelnatz und Lichtenrade - eine malerische Verbindung

Im Dichterviertel in Lichtenrade, in der Ringelnatzstraße 30, verziert eine Häuserwand ein riesiges Gemälde, mit Tiermotiven, das 1996 durch ein Künstlerehepaar im Auftrag der damaligen Wohnungsbaugesellschaft entstand.

Viele fragen sich, wie passt das zusammen. Joachim Ringelnatz verbindet man mit lustigen, teils bissigen Gedichten und Geschichten nicht aber unbedingt mit der Malerei. Doch dieser ernsthafte Künstler besaß eine Doppelbegabung...

Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen, als Hans Gustav Bötticher, geboren. Sein Vater verfasste humoristische Gedichte und Erzählungen. Diese Begabung hat er an seinen Sohn weitergereicht.

Der stets zu Streichen aufgelegte Junge erkannte schon früh seine dichterischen Fähigkeiten. Er hielt nicht viel von der Schule und suchte stets das Abenteuer, worauf er in einer Erziehungsanstalt landete. Diese konnte er nach erfolgreicher Erziehung mit einem Reifezeugnis, über ein freiwilliges Jahr im Militärdienst, verlassen.

So erfüllte sich 1901 sein Traum von der Seefahrt. Zuerst als Schiffsjunge auf einem Segelschiff, später im Militärdienst auf dem Kreuzer „S.M.S. Nymphe“, bereiste er die Welt. In dieser Zeit entstand das „Schiffsjungen-Tagebuch“, das er 1910/11 veröffentlichte. Nach der Entlassung aus dem Militärdienst begann er eine kaufmännische Ausbildung in Hamburg.

Zu diesem Zeitpunkt begann der Dichter auch mit der Malerei. Doch als Künstler braucht man Freiraum und so verabschiedete sich der junge Mann aus dem Angestelltenverhältnis und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser.

1909 kam er nach München. Im Künstlerlokal „Simpl“ begann seine literarische Karriere. Eine schriftstellerische Anerkennung erlangte er durch die 1913 erschienene Novellensammlung „Ein jeder lebt’s!“ Nach Ausbruch des „Ersten Weltkrieges“ meldete sich der 31-jährige Bötticher als Freiwilliger zur Kriegsmarine.

Nach einigen Auseinandersetzungen schob die Marine ihn auf den Außenposten einer Luftabwehr-Maschinengewehrabteilung bei Cuxhaven, ab. Dort legte sich der Sonderling ein Terrarium mit Ringelnattern, Blindschleichen, Fröschen und Eidechsen zu.

Nach dem Krieg 1919 entschied sich Hans Bötticher einen Künstlernamen zuzulegen und nannte sich fortan „Joachim Ringelnatz“. Über den Ursprung des Namens „Ringelnatz“ gibt es nur Spekulationen. Er könnte aus dem seemännischen „Ringelnass“ was so viel wie Seepferdchen bedeutet oder als poetischer Gedanke an seinem „Schlangenzoo“ gewählt worden sein.

1920 heiratete er mit 37 Jahren seine Frau Leonharda Pieper, die ihn liebevoll „Muschelkalk“ nannte. In den 1920er Jahren begann an der Berliner Kleinkunstbühne „Schall und Rauch“ seine Karriere als Vortragskünstler von Gedichten. Neben Gedichtbänden, Romanen, Kinderbüchern und Bühnenstücke entstand auch eine große Anzahl von Bildern.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden seine Bücher auf den Index gesetzt. Sein letzter öffentlicher Bühnenauftritt erfolgte zu seinem 50. Geburtstag. Der schon zu diesem Zeitpunkt an Tuberkulose erkrankte Ringelnatz, verstarb nach der Entlassung aus einer Lungenheilstätte, am 17. November 1934 in Berlin. Sein Ehrengrab mit einer Grabplatte aus „Muschelkalk“ befindet sich auf dem Waldfriedhof an der Heerstraße in Berlin.

Aber von wem stammt das Bild auf der Hausfassade in der Ringelnatzstraße 30? 1996 beauftrage die damalige „GEDE, Gemeinsame Berliner Wohnen GmbH“ das Künstlerehepaar Wohlmann/Heberle mit der Gestaltung der Häuserwand. Diese sollte in Anlehnung an Ringelnatz erfolgen. Das Ehepaar wählte ein Motiv mit Tieren und BVG Bus in einer parkähnlichen Landschaft in Tempelhof/Schöneberg. Die Frage stellt sich natürlich, wie bekommt man ein derart großes Bild an eine Hausfassade?

Zunächst wird das Motiv mithilfe eines Projektors auf die Wand projiziert und diese im Anschluss mit Papier ausgekleidet. Danach werden die Konturen des Motivs mit einem Bleistift nachgezeichnet. Diese werden dann mit einem Rädchen nachgezogen, sodass kleine Löcher auf dem Papier entstehen. Jetzt wird das Papier an die Fassade gelegt und mit Kohlestaub bestäubt, dass sich auf der Fassade festsetzt. So wissen die Künstler wo und wie sie zeichnen müssen.

2016 gab es eine Generalüberholung des 10 x 11 Meter großen Kunstwerkes. Die Farbe wurde aufgefrischt und das Bild um einige Details erweitert. Hinzu kamen drei Pinguine, ein Affe auf dem Bus, eine Giraffe und das Logo des neuen Eigentümers, der degewo.

Marina Heimann
www.brueckenpfad.de

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