Bürgerversammlung mit über 300 Anwesenden

Lichtenrader empfangen Flüchtlinge mit offenen Armen

Es war nicht von vornherein klar, wie die Stimmung in der Salvator-Kirche sein würde. Ganz schnell stellte sich bei der Bürgerversammlung Anfang Oktober heraus, dass die überwältigende Mehrheit der rund 300 Anwesenden die Flüchtlinge in Lichtenrade willkommen heißt.

Angesichts der krisenhaften Entwicklung haben sich die Flüchtlingsströme deutlich erhöht. So mussten in der ehemaligen Senioreneinrichtung „Georg-Kriedte-Haus“ am Kirchhainer Damm seit circa drei Wochen Flüchtlinge und Asylbewerber untergebracht werden. Die Entwicklung ging so schnell, dass das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg
erst im Oktober zu einer Bürgerversammlung in die Salvatorkirche einladen konnte. Eingeladen wurden in erster Linie die unmittelbaren Anwohner sowie Kirchen, Vereine und Initiativen aus Lichtenrade.

Zur Information der Bürger wurden im Laufe der Veranstaltung auch kritische Aspekte angesprochen. Viele  Anwohner haben keine Einladung erhalten und hätten sich eine schnellere Information vom Bezirksamt gewünscht. Dies war im Wesentlichen der Aspekt, der für den meisten Unmut sorgte. Bis auf einige emotionale Äußerungen war die Atmosphäre der Informations- und Fragerunde ausgewogen und sehr positiv.

Besonders wichtig war die sehr qualifizierte und deutliche Auskunft des Abschnittsleiters 47 der Polizei in Lichtenrade, Peter Diebel: „In den letzten Wochen gab es hier keine Strafanzeige.“

Peter Diebel weiß auch zu berichten, dass es bei den Flüchtlingseinrichtungen generell keine auffällige Kriminalität gibt. In die Zuständigkeit seines Abschnitts fällt seit vielen Jahren die große Einrichtung in der Marienfelder Allee mit 700 Flüchtlingen.

Auch hier gab es keinerlei Konflikte. Der einzige größere Streit vor einiger Zeit stellte sich als Problem unter den Jugendlichen heraus. Die Lichtenrader hörten aufmerksam zu und waren überwiegend sichtbar beruhigt, als die Sicherheitslage als völlig unbedenklich eingestuft wurde. Die Polizei hat mit dem Heimbetreiber schon Absprachen getroffen. Es gäbe eine gute Zusammenarbeit mit dem Träger und die Einrichtung werde auch in Streifenfahrten mit einbezogen, erläuterte Diebel.

Das Bezirksamt agiert in dieser Sache einmütig. Und so saßen die Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD), die stellvertretende Bürgermeisterin und Stadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Jutta Kaddatz (CDU) und Dr. Sibyll Klotz (Bündnis 90/Die Grünen), die Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Stadtentwicklung, geschlossen am Podium.

Die Veranstaltung wurde von Pfarrer Rainer Lau (Hausherr in der katholischen Kirche) und von Pfarrer Roland Wieloch (evangelische Kirchengemeinde) moderiert. Mit am Podium saßen noch Stefan Thiel (zuständiger Referatsleiter beim Landesamt für Soziales und Gesundheit-LAGeSo) und Ewald Möller vom Heimbetreiber, dem Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF). Es gab kurze Eingangsstatements, die die wesentlichsten Fakten und Aspekte beschrieben.

Seit dem 18. September sind die ersten Menschen in der Flüchtlingsunterkunft untergebracht worden. Ewald Möller (EJF) wäre es auch lieber gewesen, wenn man die Einrichtung erst komplett für den Betrieb hätte fertigstellen können. Die Notlage der Flüchtlinge machte es aber dann notwendig, sehr schnell die ersten Plätze zur Verfügung zu stellen. So sind zum Zeitpunkt der Bürgerversammlung 71 Personen untergebracht, davon 35 Kinder.

Insgesamt soll die Einrichtung ab Frühjahr 2015 für 250 Menschen zur Verfügung stehen. Es müssen jedoch erst umfängliche Umbauund Sanierungsmaßnahmen stattfinden. Stadträtin Klotz will möglichst an dieser Zahl festhalten. Die Menschen kommen zur Hälfte aus Serbien und Bosnien. Die andere Hälfte der Bewohner kommen aus Syrien, Afghanistan und weiteren Staaten der arabischen Welt. Diese Gruppe der Flüchtlinge wird sich in der nächsten Zeit deutlich erhöhen.

Circa 20 Kinder in der Einrichtung sind im Grundschulalter, es gibt 2 Jugendliche und der Rest der Kinder ist noch nicht schulpflichtig. Schulstadträtin Kaddatz informierte über das System der „Willkommensklassen.“ In diesen kleinen Lerngruppen wird am Anfang verstärkt auf das Erlernen der deutschen Sprache Wert gelegt. Auch in Lichtenrade gibt es schon verschiedene „Willkommensklassen“ an unterschiedlichen Schulen, 2 in der Taunusschule, 3 in der Bruno-H.-Bürgel-Schule, jeweils eine Lerngruppe im Georg-Büchner-Gymnasium und in der Carl- Zeiss-Oberschule. Geplant sind zurzeit noch 2 Klassen an der Nahariya-Grundschule.

Wichtig sei, dass die Kinder schnell einen strukturierten Tagesablauf bekommen. Innerhalb von 1 bis 2 Wochen wird die Schulunterbringung bewerkstelligt. Nach dem ersten Jahr soll dann der Weg in die Regelschule geebnet sein. Kaddatz ist auch für den Sport zuständig und sieht gute Anknüpfungspunkte für Unterstützungen. Der VFL Lichtenrade hatte schon Unterstützung angeboten. In der Bürgerversammlung hat auch der SSV Lichtenrade, der im benachbarten Haus der Flüchtlingsunterkunft seine Geschäftsstelle hat, seine Hilfe angeboten.

Stadträtin Sibyll Klotz erläuterte, dass alle Kinder untersucht werden und auch entsprechende Impfungen angeboten werden. Klotz will die Anwesenden ermuntern: „Berlin ist eine so große Stadt. Wenn alles vernünftig organisiert ist, werden wir das auch stemmen!“

Der EJF-Heimbetreiber hat Erfahrung mit mehreren größeren Flüchtlingsunterkünften; eine davon in Berlin-Köpenick, erläutert Ewald Möller vom EJF, Referent Migration und Flüchtlingshilfe. Christiane Wahl ist ab der kommenden Woche die Einrichtungsleiterin und bringt eine fünfjährige Erfahrung aus einer anderen Einrichtung mit.

Es wird versichert, dass sozialpädagogisches Personal in der Einrichtung vorgehalten wird. Darüber hinaus gibt es Sicherheitspersonal, das 24 Stunden in mehreren Schichten im Einsatz ist. Da das Personal aus jungen Menschen mit Migrantenhintergrund besteht, erhofft man sich einen einfachen Zugang zu den Bewohnern und die leichtere Überwindung von Sprachbarrieren. Auch Möller ist davon überzeugt, dass Sport, Musik, Tanz und Feste die Menschen unkompliziert zusammenbringt.

Wer Interesse hat die Einrichtung zu besuchen, soll sich anmelden. Hinweise, Anliegen und Angebote von Anwohnern finden ein offenes Ohr. Der Vertrag für die Einrichtung in Lichtenrade ist vorerst auf 5 Jahre abgeschlossen.

Es gab natürlich auch kritische Hinweise sowie Nachfragen und es wurden Sorgen formuliert. Die überwiegende Stimmung war aber den Flüchtlingen gegenüber sehr positiv eingestellt.

Applaus kam dann auf, als ein Anwohner ganz klar formulierte, dass er keine Angst habe und 250 Flüchtlinge in Lichtenrade doch kein Problem sind: „Wir sind doch seit vielen Jahren kein Dorf mehr.“

Es wurden noch weitere verschiedene Hilfen angeboten, die im hinteren Bereich der Kirche an einer Wandtafel gesammelt wurden. Deutlich wurde, dass in Kürze ein „runder Tisch“ eingerichtet werden soll, um all die Fragen mit den verschiedensten Bereichen absprechen zu können. Hierfür konnte man sich auch anmelden.

Kontakt zur Einrichtung:
Tel. (030) 7430 478 70
Fax (030) 7430 478 78

Thomas Moser
www.lichtenrade-berlin.de
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